Das Bild am Dom zu Brandenburg


Eine Sage aus Brandenburg

Was hat es mit dem Bild eines predigenden Fuchses am Brandenburger Dom auf sich? Stimmt einer der in der Sage vermuteten Gründe oder sind es doch ganz andere?

Die Sage

Aus: Märkische Sagen und Märchen nebst einem Anhange von Gebräuchen und Aberglauben. Berlin: Reimer, 1843, e-book-Sammlung
*Die ursprüngliche Schreibweise und Rechtschreibung wurden beibehalten.
An dem Dome zu Brandenburg, der zum Theil wahrscheinlich noch aus dem zehnten Jahrhundert stammt, sieht man über dem unter dem Thurme befindlichen Haupteingange ein aus Stein gemeißeltes altes Bild, das einen Fuchs in einer Mönchskutte darstellt, wie er zuerst einer Versammlung von Gänsen predigt, und zum Schluß eine derselben im Rachen davon trägt.

Wie dies Bild dahin gekommen, erzählt man auf zwiefache Weise; die einen sagen: der Baumeister des Doms habe für seinen herrlichen Bau geringen Dank und noch weniger Lohn gehabt, ja er habe sogar fliehen müssen; da hat er denn aus Rache in der Nacht vor seiner Flucht das Bild am Dom angebracht.

Andere erzählen: ein Domprobst von Burgsdorf, der viel für die Verschönerung und Ausbesserung des Doms that, habe es verfertigen lassen, aus Unmuth darüber, daß der von ihm bereits abgeschaffte Dienst der Messe in lateinischer Sprache nach dem Schluß des Westphälischen Friedens wieder eingeführt werden mußte.

Wie kam das Bild von der Gänsepredigt an den Brandenburger Dom?

Schon bevor der Dom St. Peter und Paul erbaut wurde, befanden sich Bauten auf der heute Dominsel genannten Havelinsel.

Brandenburg-Dom 2015

Dom St. Peter und Paul im Juli 2015

Ab dem 8. Jahrhundert stand hier eine slawische Burg, genannt die Brandenburg, Brennaburg, Brennabor oder Brendanburg. Nach der Eroberung durch Heinrich I. in den Jahren 928 bis 929 fiel die Burg in deutsche Hand, blieb jedoch zunächst von Slawen bewohnt. Eine erste Kirche auf der Havelinsel wurde ab 948 im Auftrag von Otto dem Großen gebaut. Zu diesem Zeitpunkt wurde hier das Bistum Brandenburg eingerichtet.

Um 983 fiel die Havelinsel nach einem Aufstand erneut in slawische Hand. Hiervon berichte ich in meinem Text zur Sage "Bischof Dodilo". Die alte Kirche wurde dabei zerstört und die Slawen legten eine neue Burganlage an. Nach mehreren Kämpfen um die Havelinsel eroberte schließlich ein Heer unter dem Markgrafen Albrecht dem Bären 1157 das Gelände und auf der höchsten Stelle wurde der Bau des heutigen Doms St. Peter und Paul geplant.

Die Grundsteinlegung fand am 11. Oktober 1165 statt. Um das Jahr 1200 war der Bau der damals dreischiffigen romanischen Basilika vollendet. Seitdem erfuhr das Bauwerk mehrere Umbauten, unter anderem um 1235 unter dem Bischof Gernand und 1380 unter dem Bischof Dietrich von der Schulenburg. Aus dieser Zeit stammt das Hauptportal, das an beiden Seiten durch Kämpfergesimse mit Tierornamenten geschmückt ist.

Tiernornamente Gänsepredigt am Brandenburger Dom St. Peter und Paul

Auf der linken Seite vom Eingang ist das Bild von der Gänsepredigt als Bildgeschichte zu sehen. Diese muss von rechts nach links betrachtet werden. Zunächst predigt der Fuchs den Gänsen, um sie anschließend zu überfallen. Die Tat bleibt nicht ungesühnt. Der Fuchs steht vor dem Richter und wird zum Tod durch Erhängen verurteilt. Das letzte Bild zeigt den Fuchs bei seiner Bitte um Einlass vor dem Himmelstor.

Tierornamente auf der rechten Seite am Domportal Brandenburg

Die Bildreihe auf dem Kämpfergesims rechts vom Eingang ist mit Vögeln verziert und mit Affen, welche Schach spielen. Bisher gibt es noch keine Erklärung dazu.

Hüte dich vor falschen Predigern - Die Gänsepredigt an mittelalterlichen Bauwerken

Die Vermutungen in der Sage, dass das Bildnis vom predigenden Fuchs aus Rache für schlechte Entlohnung oder Undank am Domportal angebracht wurde, entbehren wahrscheinlich jeglicher Realität.

Bildausschnitt der Gänsepredigt am Dom zu Brandenburg

Der Fuchs predigt den Gänsen

Bilder von der Gänsepredigt sind in der Tierornamentik mittelalterlicher Bauten, die zwischen dem 13. und 14. Jahrhundert erbaut wurden, nämlich weit verbreitet. Der Baumeister hätte überdies ein Zauberer sein müssen, um die komplette Bildergeschichte in einer Nacht-und-Nebel-Aktion am Gesims anzubringen.

In ihrem Buch "Heilige und dämonische Tiere" vermutet Wera von Blankenburg, dass die Allegorie von der Gänsepredigt im Mittelalter als Teil der Aufklärung gegen Ketzer diente. Fromme Christen sollten sich vor falschen Predigern und ihren Irrlehren hüten.

Zur Zeit der Reformation wurde die Gänsepredigt auch als Kritik an der katholischen Kirche verstanden, heißt es in einem Artikel von Johannes Bolte in der Zeitschrift des Vereins für Volkskunde aus dem Jahr 1907. In der Tiersymbolik steht der Fuchs zudem als Verkörperung des Teufels sowie für Arglist und niederträchtige Schlauheit.

Es ist in Fabeln, Sagen und in der Tierornamentik nicht immer der Fuchs, der den Gänsen predigt. Bisweilen übernimmt der Wolf die Rolle des Predigers. Anstelle der Gänse kommen als Zuhörer und Opfer auch Hühner oder Enten vor.

Weitere Bilder von der Gänsepredigt finden sich unter anderem an folgenden Bauwerken:

  • Großes Sgraffitohaus in Krems an der Donau (Bürgerhaus, ehemals Paulhaus)
  • Chorstuhl der Kirche St. Peter und Paul in Straelen in der Nähe von Düsseldorf
  • Gänsebrunnen in Regensburg
  • Haus in der Wallnerstraße 271 in Wien
  • Schlusssteine an der Gewölbedecke im Unterchor in der Katharinenkirche Lübeck
  • Chorherrenportal mit Gänsepredigt in der Stiftskirche St. Marien & St. Nicolai in Jerichow
  • Hochkanzel, auch als Fuchskanzel bezeichnet, in St. Urbanus in Huckarde (Ortsteil von Dortmund)

Wera Blankenburg berichtet außerdem von Bildern der Gänsepredigt in mehreren Kirchen in Frankreich sowie hier:

  • Portal des Braunschweiger Doms
  • Kreuzgang des ehemaligen Karmelitenklosters am Kaulberg in Bamberg
  • Kathedrale von Canterbury in England

Auch auf einem Wandbild einer Kirche im schwedischen Tolfta ist der Fuchs als Prediger zu sehen, berichtet Ludger Kaup in "Tolfta kyrkan". Der Fuchs ist hier als Mönch verkleidet und liest den Gänsen aus einem Manuskript vor. Neben der Kanzel sitzt ein als Bauernfrau verkleideter Fuchs mit einer Gans auf dem Arm.

Was ist dran am schlauen Fuchs und den dummen Gänsen?

Der Fuchs ist ein Raubtier. Er jagt lieber nachts, an stillen Orten aber auch am Tage. Wie in Brehms Tierleben zu lesen ist, plündert er nicht nur gerne Vogelnester und macht Jagd auf Jungtiere oder am Boden lebende Vögel, sondern er versucht auch flugbegabte Vögel zu überlisten. Er überfällt Herden von Geflügel und schleicht sich nachts auf Bauernhöfe. Der Fuchs ist ein sehr vorsichtiges Tier und setzt sich möglichst keinen Gefahren aus. Fühlt er sich hingegen sicher, kann er fast unverschämt frech sein. Der Fuchs ist kein geselliges Tier. Selbst in der Paarungszeit bleiben Füchse nur so lange zusammen wie nötig.

Die Hausgänse stammen von den Graugänsen ab. Gänse sind vorwiegend Landbewohner, obwohl sie Schwimmhäute haben. Sie sind schnelle Läufer. Feinde versuchen sie mit lautem Zischen abzuwehren. Dass Gänse dumm sind, ist ein weit verbreiteter Irrtum. Im Gegenteil: Laut Brehms Tierleben sind sie sogar scharfsinnig und treffen eigene Handlungsentscheidungen. Außerdem sind sie vorsichtig und vergessen schlechte Erfahrungen nicht.

Gänse

Gänse in Aufruhr


Quellen:

* Bilderbogen des 16. und 17. Jahrhunderts, Kapitel 3: Der Fuchs predigt den Gänsen, Johannes Bolte, in: Zeitschrift des Vereins für Volkskunde, Berlin 7.1907
* Der Dom zu Brandenburg an der Havel, Rüdiger von Schnurbein, Hrsg. Domkapitel Brandenburg, vbb Verlag für Berlin-Brandenburg, Berlin 2021
* Brandenburg die tausendjährige Stadt, Friedrich Grasow, Verlagsgesellschaft Schmidt Römhild Brandenburg 1992 (Neuauflage des Buches von 1927)
* Heilige und dämonische Tiere. Die Symbolsprache der deutschen Ornamentik im frühen Mittelalter, Wera von Blankenburg, Wienand Verlag Köln 1975
* Tolfta kyrkan, Ludger Kaup, PDF ohne Verlag, Bregenz 2010



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